Primäre Myelofibrose (PMF), Transplantation

Maren, *1967, PMF seit 2020, SZT 2021

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Im Frühling vor meinem 53. Geburtstag stolperte meine Hausärztin im wahrsten Sinne des Wortes über meine riesengroße Milz. Glück im Unglück: Sie hatte sofort den richtigen Verdacht und organisierte für mich einen sehr zeitnahen Termin in einer hämatologischen Praxis. Die Milz wurde vermessen, 25×12 cm, mehrfach wurde Blut abgenommen, und der Arzt machte eine Knochenmarkbiopsie. Ich habe mir zu dem Zeitpunkt noch nichts weiter dabei gedacht und habe mir auch gar keine Gedanken gemacht, für welche Krankheiten Hämatologen/Onkologen im Allgemeinen zuständig sind, sonst wären die nächsten drei Wochen Wartezeit auf die Ergebnisse wahrscheinlich furchtbar gewesen. Nach zwei Wochen rief der Arzt mit den Blutergebnissen an und fragte allgemeine Symptome ab – Juckreiz nach Kontakt mit Wasser, Nachtschweiß, Gewichtsabnahme, Kribbeln in den Extremitäten. Da bin ich dann allmählich nervös geworden und habe angefangen zu googeln.

Eine Woche später war auch das Ergebnis der Knochenmarkbiopsie da. Mein Mann hat mich zu dem Gespräch begleitet. Das war gut so, ich habe nur den Anfang mitbekommen und war völlig fassungslos, die Erklärungen des Arztes habe ich überhaupt nicht mehr begriffen.

Schock über die Diagnose

Und dann sitzt man da, mit dem (wie ich zum Glück schnell erfahren habe) veralteten Begriff Osteomyelofibrose. Mit den Informationen aus dem Internet, die man als Laie nicht einordnen kann, glaubt man, dass man nun zeitnah sterben wird. Mein großes Glück war, schnell auf der Seite des MPN-Netzwerks zu landen. Im Forum habe ich sehr viel Unterstützung erfahren, vor allem habe ich gelernt, die einzelnen Diagnoseergebnisse richtig einzuordnen.

Fibrosegrad 3, Intermediärrisiko 2, Jak2 positiv, was macht eigentlich Jakavi, wie gehe ich mit der Aussicht auf eine Stammzelltransplantation um?

Die Entscheidung sollte ich innerhalb eines Jahres treffen. Spatz in der Hand oder Taube auf dem Dach, wie es mein Hämatologe formulierte. Die wohnortnahe Uniklinik wollte mich gerne transplantieren, hat aber mit Myelofibrose so gut wie keine Erfahrung gehabt. Immerhin wurde hier die Spendersuche eingeleitet und ich wusste: es gibt mehrere passende 10/10-Spender. Ich stellte mich bei Professor Koschmieder in Aachen vor, der nach Auswertung aller Befunde zu einer zeitnahen Transplantation riet. Auf Empfehlung aus dem Forum entschied ich mich für die Uniklinik Eppendorf. Großes Glück: mein Mann konnte in der Zeit, die wir in Hamburg verbracht haben, im Homeoffice arbeiten. Da ich im Frühjahr 2021 transplantiert werden sollte, mitten in der Corona-Zeit, war es mit der Ausnahmegenehmigung auch recht einfach, eine Ferienwohnung zur Langzeitmiete zu finden.

Das UKE konzentrierte sich direkt auf meinen Bruder als Spender, und großes Glück: Er passte perfekt, und er war auch bereit zu spenden.

Frühzeitige Entlassung nach der Transplantation

Am 20. Mai 2021 bekam ich nach 8 Tagen Chemotherapie meine neuen Stammzellen. Nach 10 Tagen waren meine Leukozyten bereits bei 0,8, so dass klar war: das hat erst mal funktioniert! Insgesamt war ich 3,5 Wochen im Krankenhaus, allerdings völlig isoliert, wegen Corona war kein Besuch erlaubt. An Tag +15 wurde ich entlassen, viel früher, als ich es für möglich gehalten hatte! Mein Mann und die Hunde mussten quasi von heute auf morgen nach Hamburg kommen und die Ferienwohnung bereit machen.

Man bekommt von der Klinik vor der Entlassung Regeln für das tägliche Leben in Freiheit. Hunde gehören nicht unbedingt dazu, wir haben dann aber besprochen, dass ich mich von dem Hundefutter fernhalte. Insgesamt wäre ich vermutlich nicht so schnell wieder auf die Beine gekommen, hätte ich die täglichen Spaziergänge mit den Hunden nicht gehabt.

In den ersten zwei Monaten waren die Nachsorgetermine in der Ambulanz wöchentlich. Es gibt aber auch Patient*innen, die sich öfter vorstellen mussten. Ich hatte großes Glück, weder die gefürchtete Entzündung der Mundschleimhaut noch andere Anzeichen für eine GvHD, also eine Abstoßungsreaktion des Körpers. Sobald die Kontrolltermine nur noch monatlich am UKE stattfinden mussten, sind wir wieder nach Hause umgesiedelt. Dort wurde ich zwischendurch immer noch in der hämatologischen Praxis betreut, z.B. brauchte ich relativ lange noch Blutkonserven. Nach einem halben Jahr war der Anteil der Spenderzellen übrigens tatsächlich bei 100%, und ich habe nun die Blutgruppe meines Bruders.

Wie ging es mir nach der Transplantation?

Nach einem halben Jahr wurden die Immunsuppressiva abgesetzt. Nach einem Jahr wurden nach und nach die Impfungen mit Totimpfstoffen gemacht, nach zwei Jahren wurden alle Medikamente (Aciclovir und Cotrim forte) abgesetzt. Nun steht die Impfung mit den Lebendimpfstoffen an. Ich muss mich immer noch alle drei Monate in Hamburg vorstellen.

Ich habe eine Wiedereingliederung nach ca. einem Jahr versucht, das ist aber gescheitert. Inzwischen wurde die volle Erwerbsminderungsrente für insgesamt 3 Jahre bewilligt.

Meine Lebensqualität ist gut. So allmählich steigt die körperliche Belastbarkeit, und auch meine kognitive Leistungsfähigkeit verbessert sich allmählich. Das war für mich das größte Problem: Ich konnte mich nicht mehr konzentrieren, bin nicht in der Lage, komplexere Sachverhalte zu verstehen – aber es geht aufwärts.

Mittlerweile kommen einige neue Medikamente auf den Markt, mit denen eine Transplantation vielleicht vermieden werden kann. Ich hatte einen hohen Risikoscore und nur Jakavi, und man wusste nicht wie lange es wirkt. Deshalb war die Entscheidung für die Transplantation zum damaligen Zeitpunkt auch rückwirkend genau richtig. Wichtig war für mich die Zweitmeinung eines ausgewiesenen MPN-Experten, und natürlich sollte man insgesamt Vertrauen zu den behandelnden Ärzt*innen haben.

Stand September 2023