Eine MPN bedeutet nicht, dass das Leben nicht mehr lebenswert ist.
Viel können Sie selbst tun, um sich Ihre Lebensqualität zu erhalten.
Ob Sie sich wohlfühlen oder nicht, können Sie zu einem gewissen Maß durchaus beeinflussen. Dazu ist aber zunächst wichtig, dass Sie das Management Ihrer Krankheit ernst nehmen. Achten Sie auf Veränderungen, Symptome oder Nebenwirkungen von Medikamenten und nehmen Sie Ihre Arzttermine gewissenhaft wahr. Dazu ist es hilfreich, Symptome, Veränderungen oder Nebenwirkungen zu dokumentieren, um diese beim Arztgespräch einbringen zu können.
Zugleich ist es wichtig, der Krankheit nicht zu viel Raum zu geben. Das fällt naturgemäß besonders am Anfang schwer. Wenn es gelingt, sich bewusst Räume (Zeiträume oder Tätigkeiten) zu schaffen, wo man die Krankheit einmal ausblenden oder die bedrohlichen Gedanken daran zeitweise in einen „Safe“ sperren kann, vermeidet man, dass die Beschäftigung mit der Krankheit zum Lebensinhalt wird.
Schulmedizin? Komplementäre Medizin? Alternative Medizin? Integrative Medizin?
Eine Begriffsklärung tut not …
Es ist sehr wichtig, einen Unterschied zu machen, zwischen alternativer Medizin und komplementärer Medizin.
Letztere ist ein Teil der wissenschaftlichen Medizin und will den Betroffenen wissenschaftlich untersuchte Methoden anbieten, selber aktiv zu werden. Sie will die Schulmedizin nicht ersetzen, sondern unterstützend wirken. Alle Therapieverfahren, die wissenschaftlich begründet sind, also Schulmedizin und komplementäre Medizin zusammengefasst, bezeichnen die integrative Medizin.
Alternative Medizin beruht häufig auf Heilsversprechen und Methoden, für die es keinen Nachweis einer Wirksamkeit gibt, die im Gegenteil sogar mit Risiken oder Schäden einhergehen können. Häufig sind sie mit hohen Kosten verbunden, die selbst getragen werden müssen.
Prof. Dr. med. Jutta Hübner ist Professorin für Integrative Onkologie am Universitätsklinikum Jena. Als Ärztin für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Hämatologie und Internistische Onkologie sowie als Palliativmedizinerin begleitet sie seit vielen Jahren Patienten mit einer Krebserkrankung:
„Im Laufe sehr unterschiedlicher Tätigkeiten in verschiedenen Kliniken wurde mir immer wichtiger, auf die Frage der Patienten, was sie selber tun können, gute und ehrliche Antworten zu geben. Eine seriöse komplementäre Medizin ist nur auf der Basis einer wissenschaftlichen evidenzbasierten Medizin möglich. Evidenzbasierte Medizin bedeutet aber nicht nur das Wissen über Studien und ihre Ergebnisse, sondern sie beinhaltet auch die Klärung der Patientenperspektive.“
Von Prof. Hübner gibt es die lesenswerte Broschüre „Ernährung, Bewegung & Naturheilverfahren — Was kann ich selber tun?“ mit einer ausführlichen Besprechung der Mikronährstoffe (Vitamine, Spurenelemente, sekundäre Pflanzenstoffe) sowie der verschiedenen komplementären und alternativen Therapien und mehr:
https://hautkrebs-netzwerk.de/wp-content/uploads/Brosch%C3%BCre_HKND_final.pdf
Was Sie aktiv selbst tun können:
Aktiv bleiben
Bewegung wirkt sich positiv auf das Wohlbefinden aus und wird von ärztlicher Seite für die MPN-Erkrankungen empfohlen, denn körperliche Aktivität
- verbessert die Durchblutung und verringert damit das Risiko für eine Thrombose, einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt. Außerdem wird der Körper besser mit Sauerstoff versorgt
- wirkt sich positiv bei Müdigkeit, Abgeschlagenheit, sogar bei chronischer Müdigkeit (Fatigue) aus
- verbessert die Ausschüttung von Endorphinen und damit Ihre Stimmung
- steigert das Selbstvertrauen in Ihren Körper und damit Ihr Selbstwertgefühl
- baut Stress ab, der sich negativ auf die Erkrankung auswirken kann
- beeinflusst den Stoffwechsel und das Immunsystem positiv
- wirkt sich positiv aus bei Schlafproblemen
- Sport in der Gruppe kann sozialer Isolation entgegenwirken
Vor allem Ausdauersportarten (wie z. B. Wandern und Nordic Walking) eignen sich, um die körperliche Leistungsfähigkeit zu verbessern. Aber auch alle lieb gewordenen Sportarten müssen nicht unbedingt aufgegeben werden. Bei einer vergrößerten Milz ist Vorsicht geboten bei Kontaktsportarten oder Risikosportarten. Vermeiden Sie Übertreibung beim Training.
Alle Formen der MPN erzeugen tendenziell eine katabole Stoffwechselsituation. Daher halten wir ein auf die Erhaltung und Kräftigung der Muskulatur zielendes Training für sehr empfehlenswert, insbesondere in Krankheitsphasen, die mit Gewichtsverlust einhergehen.
Unsere Empfehlung:
Beraten Sie sich mit Ihrem Arzt bzw. einem Physio- oder Sporttherapeuten, welche Belastungen bzw. Sport- und Bewegungsarten für Sie in Frage kommen.
Wenn Sie bisher nicht sportlich aktiv waren: Selbst kleine Schritte zählen. Beginnen Sie mit einfachen Dingen, die sich gut in Ihren Alltag einbauen und so zur Routine werden können. Selbst Gartenarbeit und anstrengende Hausarbeit zählen.
Tipps: Jeden Tag ein bisschen…
- Steigen Sie eine Station früher aus dem Bus/der Straßenbahn aus und gehen Sie zu Fuß.
- Erledigen Sie kurze Wege zu Fuß oder mit dem Rad – damit tun Sie gleich noch etwas für die Umwelt.
- Meiden Sie den Aufzug und die Rolltreppe oder gehen Sie zumindest 1 Treppe zu Fuß.
- Verabreden Sie sich mit einer Freundin/einem Freund zu regelmäßigen Spaziergängen.
- Vielleicht tanzen Sie gerne? Gerne auch allein zu Ihrem Lieblingssong.
- Telefonieren Sie zu Hause im Stehen oder Gehen.
Mit der Zeit werden die Spaziergänge vielleicht länger, die Treppen mehr und die Wege ohne Auto häufiger und Sie kommen auf noch ganz andere Ideen, wie sich Bewegung in den Alltag einbauen lässt. Ziel sollte es sein, sich mindestens 2 -3mal pro Woche körperlich zu bewegen. Falls Ihnen das zu anstrengend ist, halbieren Sie die Zeit und verdoppeln dafür die Anzahl.
Ernährung
Die chronischen MPN-Erkrankungen gehen mit entzündlichen Prozessen im Körper einher, eine gesunde Ernährung ist daher besonders wichtig.
Achten Sie auf die richtige Zufuhr von Nährstoffen und erhalten Sie sich Ihre körperlichen und psychischen Funktionen. So verhindern Sie Mangelerscheinungen und damit einen Abfall Ihrer Leistungsfähigkeit und in der Folge Ihrer Lebensqualität.
Geeignet ist eine ausgewogene, ballaststoffreiche und damit gesunde Ernährung, wie sie auch gesunden Menschen empfohlen wird. Wenn Sie Ernährungsprobleme haben, sprechen Sie darüber unbedingt mit Ihrer Ärztin. Von speziellen Diäten wird abgeraten, um Mangelerscheinungen zu vermeiden. In aller Regel ist eine Substitution von Mineralstoffen oder Vitaminen bei abwechslungsreicher Kost nicht notwendig, manchmal sogar schädlich. Selbst Vitamin D sollte nur nach Kontrolle des Blutspiegels eingenommen werden. Zu hohe Vitamin-D-Spiegel können Beschwerden verursachen.
Alle zusätzlichen Nahrungsergänzungsmittel, auch solche auf pflanzlicher Basis, sollten immer mit den behandelnden Ärzten abgestimmt werden. Das ist insbesondere bei Einnahme von Medikamenten wichtig, um Wechselwirkungen zu vermeiden.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung gibt 10 Tipps zur gesunden und ausgewogenen Ernährung:
https://www.dge.de/ernaehrungspraxis/vollwertige-ernaehrung/10-regeln-der-dge/
Tipp:
Bei Ernährungsproblemen werden die Kosten für eine professionelle Beratung häufig von der Krankenkasse übernommen. Voraussetzung ist, dass die Ernährungsberatung eine staatlich anerkannte Qualifikation besitzen.
Entspannung
Entspannungstechniken sind oft wirksam im aktiven Umgang und der Bewältigung von Stress, Ängsten oder Unruhe, die mit Ihrer MPN-Erkrankung einhergehen. Sie helfen zudem bei Verspannungen und Verkrampfungen, Erschöpfungserscheinungen und bei Beeinträchtigungen von Konzentration und Gedächtnis.
Folgende Entspannungstechniken sind bewährt und können in Kursen, durch Informationen, oder teils auch online erlernt werden:
- Autogenes Training – durch autosuggestive Vorstellungen zu körperlicher Entspannung kommen
- Meditation – innere Beruhigung und Konzentration finden
- Progressive Muskelentspannung – durch An- und Entspannung bestimmter Muskelgruppen Entspannungsprozesse im gesamten Körper auslösen
- Visualisierungen – durch die Vorstellung von positiv besetzten Umgebungen und Situationen zur Ruhe kommen
- Yoga – verbindet körperliche Fitness mit meditativen Elementen für eine Haltung der inneren Gelassenheit
- Achtsamkeit – Steigerung der Konzentrationsfähigkeit, Verbesserung der körperlichen Gesundheit, Reduzierung von Stress, positiveres Lebensgefühl
- Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion MBSR (Mindfulness-Based Stress Reduction) – verbindet als Trainingsprogramm für den Geist meditative Übungen in Ruhe und Bewegung mit Ansätzen aus der modernen Psychologie und Stressforschung. (nur in Kursen erlernbar)
Tipp:
Viele Krankenkassen bieten kostenlose Kurse zu Entspannungstechniken für ihre Mitglieder an.
Unterstützung
Hilfe annehmen
Lernen Sie, für die Bewältigung der täglichen Aufgaben, Hilfe anzunehmen, wenn sie angeboten wird oder um Hilfe zu bitten, wenn Sie sie brauchen.
Psychoonkologische Unterstützung
Selbsthilfegruppe
Der Austausch in einer Selbsthilfegruppe kann sehr hilfreich sein. Gerade mit einer seltenen chronischen Erkrankung kennt man oft niemanden in gleicher Situation. Die MPN sind Erkrankungen, die man dem Betroffenen oft nicht ansieht, zudem sind sie einem Laien nur schwer zu erklären. In einer Selbsthilfegruppe trifft man andere Betroffene, die wissen, wovon man spricht.
Das mpn-netzwerk e. V. bietet in einem geschlossenen Onlineforum die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen dieser seltenen Erkrankungen auszutauschen und zu vernetzen. Zudem organisieren wir sowohl Regionaltreffen zum persönlichen Austausch wie auch Videotreffen zu bestimmten Themen rund um MPN. Zudem tauschen sich in verschiedenen Onlinegruppen junge Betroffene, Gehörlose, türkischsprachige Betroffene und weltweit alle aus, die in der Nähe keinen Zugang zu einer Regionalgruppe haben.
Haut
Ein Symptom, das sich erheblich auf die Lebensqualität auswirken kann, ist ein lästiger Juckreiz, manchmal als Brennen empfunden, der insbesondere im Zusammenhang mit Wasserkontakt auftritt (aquagener Pruritus). Ursache ist die übermäßige Ausschüttung von Zytokinen (körpereigenen Botenstoffen).
Medikamente können Hautirritationen bis hin zu Hautkrebs verursachen. Eine regelmäßige Selbstkontrolle ist daher wichtig und beobachtete Hautveränderungen sollten dem Hautarzt gezeigt werden. Bei einigen Medikamenten wie z.B. Jakavi® oder HU ist ein jährliches Hautscreening und ein hochdosierter Sonnenschutz (LSF 50) empfehlenswert.
Mit einer konsequenten Hautpflege tun Sie außerdem selbst etwas für den Erhalt der Schutzbarriere der Haut. Dazu gehört der Verzicht auf lange und heiße Dusch- oder Wannenbäder, die Verwendung rückfettender und feuchtigkeitsspendender Hautpflegemittel, z.B. mit Urea, und ein nicht zu trockenes oder zu warmes Raumklima. Durch das Tragen lockerer Kleidung und Bewegung in frischer Luft tun Sie Ihrer Haut etwas Gutes.
Wir bedanken uns bei Prof. Dr. Jutta Hübner, Jena, für die fachliche Beratung.
Quellen und weiterführende Links
- www.stiftung-perspektiven.de
- www.krebsinformationsdienst.de
- www.leitlinienprogramm-onkologie.de/patientenleitlinien/komplementaermedizin/
- www.dgho.de
- www.leben-mit-pv.de/leben-mit-pv/lebensqualitaet
- www.barmer.de/gesundheit-verstehen/krebs/psychoonkologie-1058264
- www.dge.de/ernaehrungspraxis/vollwertige-ernaehrung/10-regeln-der-dge/
- hautkrebs-netzwerk.de/wp-content/uploads/Broschüre_HKND_final.pdf
Alle Links wurden zuletzt am 26.01.2023 überprüft.