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Was ist präfibrotische Primäre Myelofibrose (präPMF) und wie häufig tritt sie auf?

Die präfibrotische Primäre Myelofibrose (präPMF) gehört zu den seltenen, chronischen Myeloproliferativen Neoplasien (MPN), ist also eine Erkrankung des Knochenmarks.

Die Weltgesundheitsorganisation hat 2008 die ehemals als Myeloproliferative Disorders (MPD) bezeichneten Erkrankungen in Myeloproliferative Neoplasms (MPN, Myeloproliferative Neoplasien) umbenannt und zuletzt im Jahr 2022 neu klassifiziert. Zur Gruppe der MPN gehören unter anderem die Essentielle Thrombozythämie (ET), die Polycythaemia vera (PV), die Primäre Myelofibrose (PMF)und seit 2016 die präfibrotische Primäre Myelofibrose (präPMF). Sie ist eine frühe Form der PMF, unterscheidet sich aber von dieser deutlich in der Behandlung und Prognose.

Primäre Myelofibrose. Knochenmarkhistologie: Herdförmige Anordnung (Clustering) von polymorphen
Megakaryozyten (HE-Färbung).
Bildquelle T. Haferlach

Während in der präfibrotischen Phase der Myelofibrose eine Überproduktion von Zellen vorliegt, kann es im langfristigen Verlauf (Jahre oder Jahrzehnte) zu einer zunehmenden Fibrosierung (Verfaserung) des Knochenmarks kommen (s. Kasten unten), also zu einem Übergang in eine PMF. Bei der präPMF ist die Verfaserung nur schwach ausgeprägt (MF 0 – MF 1). Die Fibrosierung wird von Pathologen in verschiedene Grade eingeteilt: MF 0 keine Fibrose bis MF 3 ausgeprägte Verfaserung).

Wie kommt es zur Fibrosierung des Knochenmarks?

Myelofibrose: das Knochenmark betreffend (lat. myelo) / Verfaserung (lat. Fibrose)

Bei der Myelofibrose (MF) werden zu viele Blutzellen im Knochenmark produziert und damit auch zu viele Zytokine (Botenstoffe). Diese stimulieren die Fibroblasten, Zellen, die Bindegewebe produzieren, was zu einer zunehmenden Fibrosierung (Verfaserung) führt.

Bei einer zunehmenden Fibrosierung ist die Blutbildung deutlich eingeschränkt, wird im Verlauf der Erkrankung zunehmend in andere Organe wie Milz und Leber verlagert und kann im fortgeschrittenen Stadium ganz zum Erliegen kommen. Diese extramedulläre Blutbildung (extramedullär: außerhalb des Knochenmarks) führt häufig zu einer Vergrößerung von Milz und Leber.

Häufigkeit

Da die Entität erst 2016 klassifiziert wurde, gibt es dazu noch keine verlässlichen Daten. Man geht von einer ähnlichen Größenordnung wie bei der PMF aus. Pro Jahr erkranken demnach in Deutschland nach Schätzungen 0,5 – 1,5 von 100.000 Menschen an präPMF, das sind hochgerechnet ca. 1000 Neuerkrankungen.

Die Erkrankung tritt im Schnitt im Alter von 57 Jahren auf, im Vergleich zur PMF mit 65 Jahren. Eine Diagnose bei jungen Erwachsenen (< 30 Jahre) ist zwar selten, aber nicht ungewöhnlich.

Da die präPMF zu den sogenannten seltenen Erkrankungen (engl. orphan disease) gehört, kennen sie viele niedergelassene Ärzte (noch) nicht. Daher ist die Vorstellung an spezialisierten Zentren, z.B. im Rahmen einer Zweitmeinung, sinnvoll und angeraten.

Durch die lange Überlebenszeit, also den meist chronischen Charakter, zählen die MPN, trotz der geringen Zahl an Neuerkrankungen, zu den dritthäufigsten Erkrankungen in onkologischen Zentren.

Zählt eine präPMF zu den Krebserkrankungen?

Die präPMF gehört als Subentität der PMF gemäß der WHO-Klassifikation zu den sogenannten BCR-ABL1-negativen myeloproliferativen Neoplasien, einer Gruppe von selbstständig wachsenden, also bösartigen Erkrankungen, chronischer Blutkrebs. Die präPMF ist keine Leukämie im engeren Sinn, aber aufgrund der unkontrollierten Zellbildung eine den Leukämien verwandte Erkrankung. Eine Besonderheit der präPMF ist, dass sowohl gesunde als auch krankhaft veränderte Stammzellen mit ihren jeweiligen Nachkommen lange Zeit nebeneinander existieren können. Dabei kann der Anteil an mutierten Zellen bei den einzelnen Patienten und in den verschiedenen Stadien der Erkrankung sehr unterschiedlich sein. Meist geht die präPMF langfristig (Jahre bis Jahrzehnte) in eine PMF über, die sich unter anderem durch einen Fasergrad MF>1 auszeichnet. Außerdem birgt sie ein geringes Risiko, in eine Akute Myeloische Leukämie (AML) überzugehen.

Was sind die Ursachen der präPMF?

Die genauen Ursachen der präPMF sind bisher nicht bekannt. So gibt es aktuell keine gesicherten Erkenntnisse darüber, ob beispielsweise ein bestimmter Lebenswandel, der berufsbedingte Umgang mit Chemikalien oder sonstige Umwelteinflüsse die Entstehung einer präPMF begünstigen können. Man geht davon aus, dass die Erkrankung im Laufe des Lebens durch zufällig erworbene (sogenannte somatische) Mutationen in blutbildenden (hämatopoetischen) Stammzellen hervorgerufen wird. Diese Genveränderungen führen zu Funktionsstörungen bei den in Frage stehenden Stammzellen. Die häufigste Mutation ist die JAK2 V617F -Genmutation.

JAK2-Genmutation

CALRETICULIN

MPL

Triple negative

Erforschung weiterer Mutationen

Ist eine präPMF vererbbar?

Nach dem jetzigen Stand der Forschung sind die MPN, also auch die präPMF, in der Regel keine genetisch vererbten Krankheiten. In extrem seltenen Einzelfällen waren jedoch Keimbahnmutationen z.B. des JAK2-Gens beschrieben worden, so dass eine Vererbung stattfand. Darüber hinaus können familiäre Dispositionen für die Entstehung von MPN auftreten, die Prozentzahl liegt jedoch im niedrigen einstelligen Bereich. Bei familiären Häufungen von MPN über mehrere (mindestens drei) Generationen wird gemäß der Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) eine humangenetische Beratung empfohlen.

Welche Symptome können auf eine präPMF hindeuten?

Meist beginnt die Erkrankung schleichend, zeigt sich über viele Jahre symptomfrei und bleibt daher häufig unentdeckt. Eine eindeutige Diagnose wird erst in einem fortgeschrittenen Stadium anhand von dann auftretenden Symptomen, einem auffälligen Blutbild oder eines thromboembolischen Ereignisses gestellt. Die Schwere der Symptome sagt nichts aus über das Stadium bzw. das Risiko eines Fortschreitens der Erkrankung. Das bedeutet, dass ein Patient mit mehr Symptomen nicht automatisch schwerer erkrankt ist als ein Patient mit weniger Symptomen. Zwischen dem Auftreten erster Symptome und der korrekten Diagnosestellung liegt häufig nochmals ein längerer Zeitraum. Die nachfolgend aufgelisteten Symptome können sich auch bei anderen Erkrankungen zeigen und eignen sich daher nicht als alleinige Diagnosekriterien. Sie sind allenfalls als mögliche Hinweise zu werten. Häufig werden sie auch erst nach erfolgter Diagnose mit der präPMF in Verbindung gebracht.

Typische Beschwerden, die zum Zeitpunkt der präPMF-Diagnose bestehen können

Wie wird die präPMF diagnostiziert?

Die Myeloproliferativen Neoplasien sind seltene Erkrankungen und weisen viele Gemeinsamkeiten auf. Deshalb lassen sie sich, insbesondere im Anfangsstadium, häufig nur schwer voneinander unterscheiden und können zudem in einzelnen Fällen ineinander übergehen.

Häufig wird die Diagnose als Zufallsbefund gestellt.

Folgende Szenarien können zur Diagnose von präPMF führen:

Sobald der Verdacht auf eine präPMF besteht, spätestens jedoch, wenn der Arzt eine vergrößerte Milz feststellt (nur bei 64 Prozent der Betroffenen) und/oder sich die veränderten Blutwerte bei einer Nachuntersuchung bestätigen, sollte eine Überweisung zu einer Hämatologin erfolgen. Diese ist darin geschult, eine Diagnose auf Basis der aktuellen Behandlungsleitlinien der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) zu stellen. In der Leitlinie zur PMF gibt es spezielle Unterkapitel zur präPMF.

Diagnosekriterien für die präfibrotische Myelofibrose (präPMF), nach WHO 2022

Hauptkriterien

  • Knochenmarkbefund mit Fibrosegrad ≤ 1 und gleichzeitig altersabhängig gesteigerte Zellzahl im Knochenmark, erhöhte Granulozyten- und Megakaryozyten mit auffälligem Aussehen, häufig reduzierte Erythrozytenanzahl
  • Nachweis einer Mutation (JAK2, CALR, MPL)
    • oder anderer klonaler Marker
    • oder kein Nachweis einer reaktiven Myelofibrose
  • Ausschluss einer anderen Knochenmarkerkrankung (CML, PV, ET, MDS)

Nebenkriterien

Eine präPMF gilt als gesichert, wenn alle Hauptkriterien und mindestens ein Nebenkriterium vorliegen. Wesentlicher Unterschied zu einer PMF ist der niedrige Fasergrad und die geringere Anzahl oder Abwesenheit von Blasten im Blut. Blasten sind unreife Vorläuferzellen des Bluts.

Untersuchungen zur Diagnostik

Blutuntersuchung

Molekulargenetische Untersuchung

Ultraschall des Bauchraums

Welche Prognose hat die präPMF?

Man sollte Prognoseangaben, insbesondere aus dem Internet, mit Vorsicht betrachten. Es handelt sich vielfach um veraltete und daher irreführende Zahlen. Insbesondere können die Prognosefaktoren für die PMF nicht auf die präPMF übertragen werden. Bei der Interpretation der Daten zum Überleben liegt der Blick immer auf dem mittleren Erkrankungsalter. Bei Patienten in einem höheren Alter werden jedoch auch andere Todesursachen wahrscheinlicher, zum Beispiel Herzinfarkte oder andere unabhängige Zweiterkrankungen.

Meist geht die präPMF im weiteren Verlauf in eine PMF über, erkennbar vor allen Dingen durch eine Zunahme des Fasergrads. Aber selbst die PMF kann dann noch Jahre durch eine Überproduktion von Blutzellen gekennzeichnet sein, bevor auch diese weiter zurückgeht. Vor dem Hintergrund der immer weiter verbesserten Behandlungsmethoden kann diese Entwicklung in der Zukunft vermutlich immer weiter hinausgezögert werden.

Trotz sorgfältiger Beurteilung der Krankheitsparameter gelingt eine genaue Subklassifizierung der Krankheit nicht immer. Es können sich Übergangsformen zwischen PV, ET und präPMF finden, die erst im Lauf der Zeit eine wirkliche Unterscheidung erlauben. Aufgrund der deutlich besseren Prognose der präPMF ist die korrekte Abgrenzung zur PMF daher prognostisch nach wie vor am wichtigsten.

Wie ist der Verlauf der präPMF?

Wie bei allen anderen myeloproliferativen Erkrankungen kommt es auch bei der präPMF durch einen Defekt der blutbildenden Stammzellen im Knochenmark in der Anfangsphase zunächst zu einer Überproduktion (Proliferation) bestimmter Blutzellen und deren Vorläuferzellen. Bei der präPMF können zwei Zellreihen parallel betroffen sein, nämlich z.B. Thrombozyten und Leukozyten (bilineare Proliferation).

Megakaryozyten sind Vorläuferzellen der Thrombozyten.
Granulozyten sind eine Untergruppe der weißen Blutkörperchen.

Eine Auslagerung der Blutbildung aus dem Knochenmark in andere Organe findet bei der präPMF in der Regel noch nicht oder nur begrenzt statt. Jedoch kann die Milz bereits vergrößert sein, da diese an der Verarbeitung der übermäßig hohen Zellzahlen beteiligt ist.

Weiterer Verlauf

Wenn die präPMF in eine PMF übergeht, kommt es im Knochenmark neben einer Überproduktion von Blutzellen zu einer vermehrten Neubildung von Bindegewebe (Fibrose). Diese Faservermehrung, deren Bildung wahrscheinlich von Entzündungsbotenstoffen (Zytokinen) begünstigt wird, lässt sich als „Narbenbildung“ beschreiben und kann bei der PMF zum allmählichen Versagen des Knochenmarks führen.

Die Fibrose wird in verschiedene Grade eingeteilt:

Wie bereits erwähnt findet der Übergang der präPMF in eine PMF erst nach Jahren oder Jahrzehnten statt. Im Fall einer Verschlechterung des Blutbilds sollte dann eine erneute Punktion des Knochenmarks erfolgen.
„Allerdings geht aus bisher noch ungeklärten Gründen nicht jede präPMF in eine ‚overt fibrotic‘ PMF über.“ (aus: Onkopedia)

Näheres zur PMF lesen Sie hier.

Wichtig zu wissen:

Der Verlauf der präPMF ist individuell sehr unterschiedlich. Bei einer frühen Diagnose können Patienten über viele Jahre bis Jahrzehnte nahezu symptomfrei leben.

Komplikationen und Risiken

Was versteht man unter Komplikationen und Risiken?

Was versteht man unter einer Komplikation?

Was versteht man unter einem Risiko?

Da es bei der präPMF zu einer Überproduktion von Blutzellen, insbesondere der Thrombozyten und teilweise der Leukozyten kommt, ist das Risiko für Thrombosen und Embolien erhöht. Wie neuere Studien zeigen, können auch erhöhte Leukozytenwerte an der Entstehung von Thrombosen beteiligt sein.

Gravierendste Komplikationen bei einer präPMF

Klinisch bedeutsam sind:

  • Lungenembolie
  • Pfortader- und Milzvenenthrombose
  • Budd-Chiari-Syndrom (Thrombose der Lebervenen)
  • Sinusvenenthrombose (Gehirnvene)
  • Durchblutungsstörungen der Milz bis hin zum Milzinfarkt (Gefäßverschluss)
  • Schlaganfall
  • Erhöhte Blutungsneigung durch erhöhte Thrombozyten >1 Mio/μl

Der letzte Punkt scheint paradox, sind doch gerade die Thrombozyten dafür zuständig, die Blutgerinnung aufrecht zu erhalten. Da jedoch die Funktion der Zellen beeinträchtigt ist, können sie diese Aufgabe nicht mehr genügend erfüllen. Anteile von Gerinnungsfaktoren können sich an die Thrombozyten binden und stehen dann für die Blutgerinnung nicht mehr zur Verfügung. Mögliche Folgen sind Haut- und Schleimhautblutungen (Blutergüsse, Nasenbluten, etc.), im Einzelfall auch Magen-, Darm- oder Hirnblutungen.

Die Einnahme von ASS (Acetylsalicylsäure, „Aspirin“) muss in diesen Fällen unbedingt mit dem Hämatologen abgeklärt werden.

Die erhöhte Thrombosegefahr bei einer präPMF kann verschiedene Ursachen haben

Weitere nicht präPMF-bedingte Ursachen können sein:

  • eine genetische Disposition
  • ein genetischer Mangel an Protein C, Protein S
  • eine Faktor-V-Mutation Typ Leiden
Genauere Informationen über thromboembolische Ereignisse und ihre Symptome

Wie wir aus den Erfahrungsberichten aus unserem Netzwerk wissen, gelangen viele Betroffene über den Umweg solcher thromboembolischer Ereignisse erst zu der Diagnose MPN-Erkrankung bzw. präPMF.

Risiko AML

Wie alle MPN birgt auch die präPMF ein gewisses, jedoch geringes, Risiko, in eine Akute Myeloische Leukämie (AML) überzugehen.

Wichtig zu wissen:

All die genannten Komplikationen und Risiken machen die Notwendigkeit regelmäßiger Kontrollen in einer hämatologischen Praxis deutlich.

Die Behandlung der präPMF

Wann sollte mit einer Behandlung begonnen werden?

Viele MPN-Betroffene sind von Unsicherheiten und Ängsten erfüllt bei der Frage, ob bzw. wann mit einer medikamentösen Behandlung begonnen werden sollte. Wie die bei anderen chronischen Erkrankungen eingesetzten Medikamente, haben auch die für die präPMF zugelassenen Medikamente natürlich individuell verschieden stark ausgeprägte Nebenwirkungen.

Ausprägung und Verlauf der präPMF sind individuell sehr unterschiedlich. Die notwendige Behandlung ist daher von der persönlichen Erkrankungssituation, unter Berücksichtigung aller sonstigen Begleiterkrankungen, abhängig.

Einheitliche Therapievorgaben für alle präPMF-Betroffenen kann es nicht geben.

Therapieziele können hierbei folgende Aspekte umfassen:

  • Symptomkontrolle (z.B. durch den Einsatz von JAK-Inhibitoren)
  • Vermeidung thromboembolischer Komplikationen (z.B. durch ASS, zytoreduktive Medikamente wie Hydroxycarbamid oder pegylierte Interferone)
  • Stabilisierung oder gar Verbesserung der Lebensqualität

Es gibt Faktoren, die sowohl in die Einschätzung des Therapiebeginns als auch in die richtige Medikation einfließen sollten. Hier eine Auswahl:

Sinnvoll und wichtig: Erfahrene MPN-Spezialisten aufsuchen

Um eine individuell adäquate Therapie und den richtigen Zeitpunkt zum Einstieg in eine Therapie zu finden, ist es durchaus angezeigt, eine erfahrene MPN-Expertise einzuholen.

Da es sich um eine seltene Erkrankung handelt, können selbst erfahrene Hämatologen an ihre Grenze stoßen.

Wichtig zu wissen:

Eine Zweitmeinung ist das Recht einer jeden Patientin und wird von den Krankenkassen bezahlt.

Unter den Zentren auf der Webseite der GSG-MPN findet man spezialisierte Hämatologinnen. Unsere Erfahrungen zeigen, dass man in der Regel in einer der angegebenen Universitätskliniken das größte und aktuellste Fachwissen findet.

Vorbereitung auf das Arztgespräch

Es ist durchaus sinnvoll, vor einem Arzttermin eigene Fragen schriftlich festzuhalten, um diese in der Gesprächssituation parat zu haben. Bei komplizierten Sachverhalten und Informationen ist man insbesondere in der ersten Phase der Erkrankung oft so aufgeregt und verunsichert, dass vieles in Vergessenheit gerät.

Auch eine Begleitperson kann nach dem „Vier-Ohren-Prinzip“ eine Erleichterung und Hilfe sein, insbesondere bei einer neuen Diagnose.
Unter „Neu diagnostiziert“ finden Sie weitere Tipps zu einem konstruktiven Arzt-Patientengespräch.

Wichtig zu wissen:

Gravierende Zwischenfälle wie eine Thrombose, ein Herzinfarkt oder ein Schlaganfall erfordern den sofortigen Einstieg in eine Behandlung, um die Zellzahlen umgehend und nachhaltig zu reduzieren. Nur so kann die akute Gefahr abgewendet und das Risiko weiterer Komplikationen minimiert werden.

Wie wird die präPMF behandelt?

Das Spektrum der Behandlungsmöglichkeiten umfasst die abwartende Beobachtung und medikamentöse Therapien. Letztere orientieren sich häufig an der Behandlung der ET, seltener an der der PV, je nachdem welche Zelllinien bei der präPMF stark erhöht sind.

Wichtig zu wissen:

Eine einheitliche Therapieempfehlung für alle präPMF-Patienten gibt es nicht!

Es besteht ein Unterschied zwischen Indikation und Zulassung. Während die Indikation für die Therapie-Entscheidung eine wichtige Rolle spielt, ist die Zulassung relevant für die Kostenerstattung der Therapie durch die Krankenkassen. Bei klarer Indikation für eine zulassungsüberschreitende Therapie (Off-Label Use) kann eine Kostenübernahme bei der Kasse beantragt werden. Für seltene Erkrankungen bzw. bei einer geringen Zahl von Betroffenen werden oft keine Zulassungsstudien durchgeführt, so dass die Leitlinien auch immer zulassungsüberschreitende Medikamente benennen, welche indiziert und wirksam sind.

Watch & Wait Strategie (Beobachten und abwarten)

Für symptomfreie Betroffene der Niedrigrisiko-Gruppe empfehlen die Leitlinien zunächst keine medikamentöse Behandlung, sondern lediglich eine Verlaufsbeobachtung mit

  • vierteljährlichen Kontrollen des Blutbildes
  • einer jährlichen umfangreichen Untersuchung einschließlich Ultraschall von Leber und Milz

Eine erneute Knochenmarkpunktion ist in der Regel erst notwendig, wenn sich der Krankheitsverlauf gravierend verändert.

Medikamentöse Therapien

Thrombozytenaggregationshemmer wie ASS, Clopidogrel u.ä.

Problemorientierte Therapien

Bei sehr hohen Thrombozyten (>1,5 Mio./µl) über einen längeren Zeitraum, deutlich erhöhten Leukozyten sowie einer vergrößerten Milz kommt auch eine Behandlung mit zytoreduktiven (zellreduzierenden) Medikamenten in Frage. Verschiedene Studien konnten zeigen, dass diese das Risiko thromboembolischer Komplikationen verringern, den Krankheitsverlauf verlangsamen, die Milzgröße reduzieren und die Lebensqualität verbessern können.

AGAnagrelid (im ‚Off-Label-Use‘)

IFN – Interferon-alpha (im ‚Off-Label-Use‘)

Symptomorientierte Therapien mit JAK-Inhibitoren

Die Entdeckung der JAK2-Mutation hat nicht nur das Verständnis für die MPN verbessert, sondern stellt die Basis für neue Therapieoptionen, die sogenannten JAK-Inhibitoren dar. Diese können die Aktivierung von Signalwegen durch alle relevanten Treibermutationen (JAK2, MPL, CALR) hemmen und somit zielgerichtet wirken.

Die Zulassung von JAK-Inhibitoren beschränkt sich auf behandlungsbedürftige PMF-Patienten oder auf Patientinnen mit PV, bei denen eine Vortherapie mit Hydroxurea eine unzureichende Wirkung erbracht hat (Zweitlinientherapie).

JAK Inhibitoren werden erst dann bei einer präPMF eingesetzt, wenn eine vergrößerte Milz Probleme bereitet oder weitere Symptome, wie z.B. der aquagene Pruritus, verstärkt auftreten und andere Maßnahmen nicht greifen.

Die sogenannten JAK-Inhibitoren bieten neben den altbewährten Wirkstoffen erstmals eine zielgerichtete medikamentöse Therapieoption. Seit 2012 ist Ruxolitinib in Deutschland für die Behandlung der PMF und in Zweitlinie bei der PV zugelassen. Inzwischen steht mit Fedratinib ein weiterer JAK-Inhibitor für die PMF zur Verfügung.

JAK-Inhibitoren wirken nicht wie Chemotherapie, sondern greifen in einen Signalübertragungsweg der Zelle ein und sind darüber hinaus zytoreduktiv.

Weitere JAK-Inhibitoren mit teilweise variierendem Einfluss auf das Blutbild befinden sich gegenwärtig in Phase-III-Studien beziehungsweise in Zulassungsverfahren. In den USA ist dies aktuell zum einen Pacritinib, das auch bei niedrigen Thrombozytenzahlen verordnet werden kann, zum anderen Momelotinib, das sich positiv auf die Erythrozytenzahl auswirken kann. In der Regel folgt mit etwas zeitlichem Abstand auf eine Zulassung in den USA auch eine europäische Zulassung.

Ruxolitinib

Fedratinib

Regelmäßige Kontrollen sind wichtig

Die Behandlungsleitlinien der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) empfehlen folgende Untersuchungen, um den Verlauf der präPMF dauerhaft zu kontrollieren:

  • Klinische Untersuchung (Veränderungen der Milzgröße), Blutbild einschließlich Differentialblutbild und klinische Chemie
    Die Abstände sind abhängig vom individuellen Verlauf der Erkrankung, der Therapieform und der Therapiephase, bei Therapieeinstieg kurzfristig, nach Erreichen einer stabilen Phase reichen in der Regel Kontrollen im Vierteljahresrhythmus oder länger.
  • Eine erneute Knochenmarkpunktion ist nur notwendig, wenn sich Anzeichen zu einer Veränderung der Krankheit ergeben sowie evtl. vor einer Therapieumstellung.
  • Ein Verlaufs-Monitoring der Allel-Last wird z.Zt. noch nicht routinemäßig empfohlen, kann aber im individuellen Fall bei Therapieentscheidungen hilfreich sein.
  • Einmal jährlich sollte eine Oberbauchsonographie erfolgen, u. a. wegen möglicher Milzvergrößerung.
  • Die Vorstellung bei einem Hautarzt wird einmal jährlich empfohlen, insbesondere unter Ruxolitinib und Hydroxyurea.

Wir danken Prof. Andreas Reiter, Mannheim, für seine fachliche Beratung.

Quellen:

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