Polycythaemia vera (PV)

Anne, *1952, PV seit ca. 2003 jetzt Post-PV-MF

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Im Mai 2003 wurden bei mir anlässlich einer Routineuntersuchung eine Milzvergrößerung diagnostiziert und Anomalien im Blutbild festgestellt. Nach mehreren Kontrollen und einem vorsorglichen Aderlass schickte mich meine Ärztin im September 2003 mit dem Verdacht auf MPN ins Klinikum, wo ein weiterer Aderlass und eine Knochenmarkpunktion anstanden. 2 Wochen später wurde ich mit der Diagnose ET konfrontiert.

Schock über die Diagnose

Das war natürlich zunächst einmal ein Schock für mich, zumal die hämatologische Abteilung des Klinikums gleichzeitig auch für Onkologie zuständig ist. Der Hämatologe versuchte aber sofort, mich zu beruhigen, was ihm zwar ein Stück weit gelang, trotzdem fühlte ich mich nicht umfassend informiert. Seine wesentliche Aussage war, damit könne ich gut leben. Er informierte mich weder über mögliche Symptome, noch über Risiken und sinnvolle Verhaltensweisen, erwähnte lediglich eine erhöhte Thrombosegefahr. Meine Recherchen im Internet ergaben zwar eine Fülle von Informationen, die ich aber nicht immer richtig beurteilen konnte.

Viele Symptome ließen sich plötzlich einordnen

Zum Glück stieß ich sehr bald auf das mpn-Netzwerk und stöberte hier in Mails bzw. hinterlegten Dateien. Nun konnte ich einige Symptome, die ich zunächst überhaupt nicht mit einer möglichen schwereren Krankheit in Verbindung gebracht hatte, wie z. B. Juckreiz nach dem Duschen, Schwitzen in der Nacht, gelegentliche Sehstörungen, Einschlafen meiner Hände sowie häufige leichte Kopfschmerzen, einordnen.

Vermutlich hatte ich die Krankheit schon länger, darauf deutet auch die Milzvergrößerung hin. Mein letztes Blutbild vor dem Check im Mai lag allerdings schon 4 Jahre zurück, damals waren die Werte noch völlig in Ordnung.

Kompetente Ärztin

Was ich zunächst als sehr negativ empfunden habe, nämlich, dass ich bisher bei jeder Kontrolluntersuchung an einen anderen Arzt geriet, stellte sich dann bald als Glücksfall heraus, da ich dadurch an eine Ärztin geriet, die ich als sympathisch und kompetent empfand. Sie machte sich kurz darauf in einer eigenen Praxis selbstständig und ich bin bis heute bei ihr. Sie nimmt sich viel Zeit für mich und meine Fragen und ist auch stets interessiert, wenn ich Neuigkeiten von einer Tagung unseres Netzwerks mitbringe. Sie hat mich auch an einen Spezialisten verwiesen, als meine Milz so groß wurde, dass ich 2015 eine medikamentöse Therapie beginnen musste.

Vermutlich eher PV als ET

Da ich immer wieder einen Aderlass brauchte, was für eine ET untypisch ist, kam nach einiger Zeit – auch durch den Austausch im Netzwerk – der Verdacht auf, dass ich evtl. doch eine PV haben könnte. Erhärtet wurde dieser dann 2007 durch den Nachweis einer homozygoten V617F-Mutation im Jak2-Gen. Nach einer Zweitbegutachtung meiner Beckenkammstanze in einem Referenzlabor in Köln, erhielt ich im Frühjahr 2009 die ebenfalls nicht ganz eindeutige Diagnose “ … wäre ggf. ein sehr frühes Stadium einer Polycythaemia vera denkbar“. Diese Aussage in Zusammenhang mit der Mutation im Jak2-Gen, diese Tatsache war dem begutachtenden Labor nicht bekannt, brachte mich dann zu der Überzeugung, dass ich eine PV habe.

Wie ging es weiter?

Glücklicherweise verlief die Krankheit bisher bei mir sehr langsam und moderat.

Im September 2014 war ich zu einer Zweitmeinung in Ulm, einem der Expertenzentren. Dort wurde auch eine zweite KMP gemacht. Man empfahl mir weiterhin „watch and wait“. Im Januar 2015 war meine Milz aber so groß (16x6x21,7 cm unter dem Rippenbogen), dass sie mir Beschwerden bereitete. Außerdem war ich ständig müde und erschöpft, litt unter Nachtschweiß und Knochenschmerzen, so dass meine Hämatologin mir den Einstieg in eine Therapie empfahl. Dazu wollte sie eine weitere Meinung einholen und verwies mich nach München ans Klinikum rechts der Isar.

Dort wurde noch einmal eine KMP durchgeführt, um die exakte Evaluation der Krankheit, insbesondere die Abgrenzung zu einer möglicherweise mittlerweile stattgefundenen Myelofibrose abzuklären. Gleichzeitig wurde mir Jakavi® 2×15 mg verschrieben.

Die KMP ergab eine Markraumfibrose Grad 2, bestätigte den Nachweis einer Jak2 V617F-Mutation und ergab neu den Nachweis einer Variante im TET2-Gen. Die Diagnose lautet jetzt Post-PV-MF, also eine sekundäre Myelofibrose. Etwas beunruhigt hat mich folgender Satz: „Grundsätzlich besteht aktuell eine DIPSS intermediate I Situation, sollte ein Progress vorliegen, ist über eine allogene Stammzelltransplantation nachzudenken.“
Zunächst wirkte das Jakavi® wunderbar auf alle erhöhten Blutreihen und auch die Milz hat sich laut einem Ultraschall vom Juni auf 17,5×7 cm verkleinert. Dann allerdings fielen die Blutwerte immer weiter, so dass ich 2 Bluttransfusionen benötigte.

Mit einer Reduzierung der Dosierung von Jakavi auf 10-0-10 komme ich jetzt aber gut klar und meine Blutwerte sind relativ stabil. Meine Milz hat sich weiter verkleinert, wenn auch nicht mehr so stark. Manchmal kommt der Juckreiz zurück und damit die Befürchtung, dass das Medikament allmählich seine Wirkung verlieren könnte. Die Blutwerte sprechen allerdings dagegen. Durch das Netzwerk weiß ich, dass etliche neue Substanzen bereits auf dem Markt bzw. in der Erprobung sind und das beruhigt mich sehr.

Einmal jährlich stelle ich mich in Ulm vor und bin ansonsten nach wie vor bei meiner Hämatologin in Behandlung.

Wie gehe ich mit meiner Krankheit um?

Ich bin ein Typ, der bis zur Diagnose von Krankheiten nichts wissen wollte und kleinere Wehwehchen immer eher ignorierte. Die Krankheit zwang mich nun dazu, mich ein bisschen mehr um meinen Körper zu kümmern. Inzwischen hatte und habe ich leider auch weitere gesundheitliche Probleme, deren Auswirkungen mich zeitweise stärker beeinträchtigen als die PV. Trotzdem lasse ich es nicht zu, dass mein Leben sich nur noch um Krankheiten dreht. Ich versuche, so normal wie möglich weiter zu leben, vielleicht noch intensiver zu genießen und nicht immer alles als selbstverständlich hinzunehmen.
Seit einigen Jahren bin ich im Ruhestand und merke, dass es mir, bedingt durch den Wegfall des beruflichen Stresses, wesentlich besser geht. Ich bewege mich deutlich mehr als in meinen Berufsjahren, sei es moderater Sport, Spaziergänge oder kleine Wanderungen. Ich bin ehrenamtlich engagiert. Das alles tut mir sehr gut und hilft mir im Umgang mit den Erkrankungen.
Die Informationen und die Unterstützung durch das Netzwerk, der Austausch im Netz oder bei Treffen waren und sind mir immer eine große Hilfe.

Stand Januar 2023