Transplantation

Robert, *1963, MPN seit 2013, SZT 2021

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Vorgeschichte

Nach ein paar Jahren Ursachensuche für meinen Juckreiz, bekam ich 2013 die Diagnose ET, was aber den Juckreiz eigentlich nicht erklärte. Mittlerweile weiß ich, dass es wahrscheinlich eine präPMF (präfibrotische Primäre Myelofibrose) war, weil sich die Krankheit im Laufe der Jahre zu einer MF (Myelofibrose) entwickelte.

Da ich genau wissen wollte, was denn eine ET eigentlich ist, bin ich bei meinen Recherchen auf das MPN-Netzwerk gestoßen. Damals war das noch die Yahoo-Group. Das hat mir sehr geholfen, die Krankheit irgendwie einzuordnen. Ich hab` mir dann auch keinen großen Kopf mehr darüber gemacht. Mir fehlte ja objektiv nichts, bis auf etwas erhöhte Thrombozyten und natürlich dieser blöde aquagene Juckreiz, der sich damals noch einigermaßen in Grenzen hielt. Das sollte sich allerdings im Laufe der Jahre dramatisch ändern.

März 2015 MPN-Jahrestagung in Bad-Godesberg

Hier hatte sich für mich Entscheidendes ereignet. Wir wurden in Gruppen aufgeteilt, je nach Erkrankung. Ich war natürlich in der ET-Gruppe. Ich hatte die Schilderung meiner Symptome noch gar nicht beendet, da waren sich alle Gruppenmitglieder einig, dass ich keine ET, sondern eine PV hätte. Folglich wurde ich in die PV-Gruppe „verfrachtet“. Auch die PV`ler waren sich alle einig, „ich hätte mit Sicherheit eine PV und keine ET“. Außerdem legten sie mir dringend Aderlässe nahe. Mein HKT war damals bei ca. 58 %! Weiterhin empfahlen sie mir eine Zweit- bzw. Drittmeinung bei Prof. Griesshammer in Minden. Also ließ ich mir schnellstmöglich einen Termin in Minden geben, den ich auch rasch bekam.

Nachdem ich ihm alle meine Symptome erläutert hatte, lag auch für ihn die Vermutung nahe, dass ich eine PV hätte. Die Bluttests und die Bestimmung der Allellast bestätigte dies dann auch. Prof. Griesshammer schlug eine sofortige Aderlasstherapie und die Einnahme von Clopidogrel, anstatt ASS, vor. Zur Linderung des Juckreizes kam in diesem Gespräch das erste Mal Jakavi ins Spiel.

Ende 2015 war der Juckreiz dannunerträglich geworden. Keine Nacht mehr richtig schlafen. Hinzu kamen sehr starke Schmerzen in den Fingern der linken Hand und später in den Zehen des linken Fußes, die ich nicht einordnen konnte. Die Zehen wurden glutrot und sehr heiß. Mutmaßliche Diagnose: Erythromelalgie. Da ich noch weitere Symptome hatte, musste ich endlich etwas unternehmen. Der Leidensdruck war nun einfach zu groß. Da ich unter der Woche beruflich im Frankfurter Raum tätig war, ließ ich mir einen Termin in der Uniklinik Frankfurt, bei Dr. Chromik geben, der mir dann über den Umweg HU, Jakavi verschrieb. Nach nicht mal 3 Tagen war ich den Juckreiz los. Das war wie eine Befreiung, wie ein neues Leben!

Verschlechterung nach Jahren der Ruhe

Dann war erstmal für einige Jahre Ruhe. Ich habe die Krankheit soweit als möglich verdrängt, bis sich dann im Laufe des Jahres 2019 mein Allgemeinzustand und meine Blutwerte zunehmend verschlechterten. Ich rutschte in eine Anämie, mit den leistungsbeeinträchtigenden Folgen. Es war wieder mal eine KMP fällig. Drei Wochen später, die ernüchternde Diagnose: Post PV MF Fibrosegrad II. Das war erst mal ein Schock. Mein Arzt kam auch gleich auf eine mögliche SZT zu sprechen. Davon war ich aber verständlicherweise gar nicht begeistert.

Die Entscheidung fällt

Ab Mai 2020 habe ich mit Epoetin begonnen. Damit hat sich mein HB für eine gewisse Zeit auf niedrigem Niveau stabilisiert. Nach der x-ten KMP Ende 2020 war es soweit: Vorstellung in der Uniklinik zum SZT-Erstgespräch. Das hatte ich ja so lange wie möglich hinausgezögert. Nun kam ich aber nicht mehr drumrum. Hier wurde mir und meiner Frau alles genau erklärt. Auch meine Fragen wurden sehr zufriedenstellend beantwortet. Es wurde schon mal ein Spender gesucht, der auch sehr schnell gefunden wurde. Mein Bruder hat zu 100 % gepasst. Das war schon mal erledigt. Einige wichtige Dinge, die man vor einem so großen „Eingriff“ zu erledigen hat, folgten. Es kann ja auch schiefgehen. Aber an diesen Gedanken verschwendete ich keinerlei Energie. Urlaub wollte ich auch noch mal machen.

Am 03. September 2021 rückte ich in die Klinik ein. Es wurden die obligatorischen Voruntersuchungen, wie EKG, Ultraschall Bauch und Herz, CT Lunge, KMP, usw. gemacht. Da das Wochenende vor der Tür stand, habe ich angeregt, wieder nach Hause zu gehen, was auch kein Problem für die Ärzte darstellte. Also ging ich erstmal wieder heim und „genoss“ das Wochenende. Am darauffolgenden Sonntag erneut in die Klinik. Am nächsten Tag folgten noch ein paar Untersuchungen und am Nachmittag wurde der ZVK (Zentraler Venenkatheder) gelegt.

Am Dienstag, dem 07. September, ging es endlich los: Start der ersten Charge Hochdosis-Chemo. Abends spürte ich schon die ersten unschönen Nebenwirkungen, die sich so nach und nach steigerten. Am Tag darauf folgte die zweite Charge Chemo. Die hat mich dann umgehauen. Ich hatte im Wechsel massiven Schüttelfrost und Fieber, Schmerzen, Übelkeit, die ganze Palette eben. Zwischendurch war ich einfach „weg“, keine Erinnerung mehr.

Die ATG (Antikörper) habe ich wider Erwarten ganz gut vertragen und am 16. September war es soweit: Die neuen Zellen kamen. Es war ein seltsames Gefühl, als diese gelbliche Flüssigkeit in mich hineinfloss, und nun hieß es warten. Nach ca. 14 Tagen waren die Thrombozyten schon auf 60.000 angestiegen. Auch die Leukozyten sprangen langsam an, so dass mir in Aussicht gestellt wurde, bald entlassen zu werden. Von einer akuten GvHD (Abstoßungsreaktion der Spenderzellen) bin ich erst mal verschont geblieben. Ich hatte auch keine Mukositis, nur eine leichte Zahnfleischentzündung.

Nach der Entlassung aus der Klinik

Vier Wochen später und 5 kg leichter nach Erstaufnahme wurde ich entlassen, um eine Woche, später, aufgrund einer Entgleisung meines Elektrolythaushalts, in die Notaufnahme eingeliefert werden zu müssen. Nach Zufuhr von Kochsalz war das aber relativ schnell wieder in Ordnung. Das Ganze hat sich noch zweimal wiederholt. So nach und nach erholte sich mein Körper von den „Strapazen“. Nach ein paar Wochen habe ich das erste Mal meinen „Hausberg“ bestiegen. Das war ein erster Meilenstein. Leider hatte ich einige Wochen danach zunehmend Probleme mit Nerven-, Gelenk- und Muskelschmerzen. Nach einigem Herumprobieren mit diversen Schmerzmitteln kam man zum Schluss, dass es sich um eine systemische GvHD handelt. Soll heißen, der ganze Körper war davon betroffen. Meist manifestiert sich eine GvHD in den Organen oder sehr häufig auch auf der Haut. Das ist in der Regel sehr gut zu diagnostizieren, da man es ja – zumindest auf der Haut – sehen kann. Bei mir war das nicht der Fall. Deshalb hat sich eine klare Diagnosestellung auch ziemlich lange hingezogen. Diese Phase dauerte ca. ein ¾ Jahr. Dann wurde es langsam von alleine besser.

Trotzdem war ich natürlich froh, das Ganze einigermaßen gut überstanden zu haben, trotz der Folgen und Beeinträchtigungen, die eine SZT so bringt. Wie geschildert, gab es da auch schwierige Momente, daher ist es extrem wichtig, den Ärzten zu vertrauen. Man sollte das Ganze mit einem guten Gefühl und einer positiven Einstellung angehen.

Die Entscheidung für die SZT war absolut richtig. Ich würde es jederzeit wieder so machen, auch wenn das Leben danach ein anderes ist. Es hatte massive Auswirkungen auf meinen Beruf als Selbstständiger. Das kann ich jetzt leider nicht mehr machen. Dafür bin ich die Krankheit los. Ich bin wieder relativ fit. Kann wieder Sport machen, wie Mountainbiken, Wandern und Klettern. Natürlich in gemäßigter Form. Rekorde werde ich keine mehr brechen. Das war auch ein langer Prozess der Einsicht, den ich machen musste.

 

Stand: Juni 2023