Essentielle Thrombozythämie (ET)

Lea, *1970, ET seit 2014

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Die Anfänge

Nach einer arbeitsmedizinischen Untersuchung im Sommer 2012 wurden mir erhöhte Thrombozyten von 533.000 als kontrollbedürftiger Laborbefund übermittelt. Als ich daraufhin meine Hausarztpraxis kontaktierte, hieß es, die Thrombozyten seien 2008 und 2011 bereits leicht erhöht gewesen. Dies habe keine Bedeutung.

Die Jahre vergingen. Ich bemerkte in dieser Zeit Symptome an mir, wie Kopfschmerzen, häufige Wadenkrämpfe und blaue Flecken, auch ohne mich besonders fest gestoßen zu haben. Dazu kam Müdigkeit, das Gefühl, „irgendetwas laufe mir über die Haut“ und Sehstörungen, währenddessen ich im Blickfeld alles etwas verschoben sah, als würde die Kante eines „Sägezahnmessers“ mein Bild durchziehen. Dies dauerte ungefähr 30 Minuten und endete meist mit Kopfschmerzen. All das hat mein Hausarzt zunächst nicht in Verbindung mit einer hämatologischen Krankheit gebracht.

Ich beginne zu recherchieren

Wirklich beruhigt war ich nicht und habe Ende 2013 ernsthaft begonnen, im Internet nachzulesen. Ich las von Blutkrebs und geringer Lebenserwartung, was mich sehr verunsichert hat. Schnell stieß ich auf die Website des mpn-Netzwerkes, wo ich viele gute Informationen fand. Ich las, dass alle meine Symptome zur Erkrankung ET passten. Zum ersten Mal las ich von der Jak2-Mutation, fühlte mich „wie vom Blitz getroffen“ und hatte ein Gefühl von: „Genau das ist es. Ich bin Jak2- positiv.“ Meine Vermutung besprach ich mit meinem Hausarzt, er kontrollierte nochmal das Blutbild und als die Thrombozyten weiterhin erhöht waren, überwies er mich an einen Hämatologen.

Nach einer Blutentnahme war klar, dass ich eine ET habe und Jak2-positiv bin. Zu diesem Zeitpunkt litt ich täglich
unter den Sehstörungen (Flimmerskotome). Das war für mich eine wirklich deutliche Einschränkung meiner Lebensqualität und so begann ich auf Anraten meines Hämatologen mit der Einnahme von ASS100. Ich war begeistert, als nach der Einnahme der ersten Tablette kein Flimmersehen mehr auftauchte! Das war im Frühjahr 2014. Eine Knochenmarkpunktion plante mein Hämatologe für den Herbst, das habe zunächst noch keine hohe Priorität.

Die ET ist offiziell

Das Kind hatte nun endlich einen Namen! Darüber war ich erleichtert, alle Symptome fügten sich zu einer Erklärung zusammen.

Mich beschäftigte das Ganze psychisch dann doch deutlich mehr, als ich dachte. Akzeptieren, dass ich an einer chronischen, nicht heilbaren Krankheit litt, ging nicht auf Knopfdruck. Professionelle Hilfe holte ich mir nicht, mir half das Reden darüber mit meinem Mann, meinen Freunden und der Kontakt mit anderen Betroffenen hier im Netzwerk immens. Ein offener Umgang mit meiner Erkrankung war mir von Anfang an wichtig.

Ich entschied mich, die Knochenmarkpunktion nun doch sehr bald machen zu lassen. Jetzt wollte ich ganz genau wissen, wie es im Knochenmark aussieht, ob ich wirklich an einer frühen Form der ET litt oder ob das Knochenmark Fibrosezeichen aufwies. Ich empfand den Eingriff in Lokalanästhesie gut erträglich. Der histologische Befund bestätigte eine frühe Form der ET. Darüber war ich erleichtert!

Die Ereignisse überschlagen sich

Zwei Monate später erlitt ich aufgrund einer Divertikulitis einen Durchbruch des Dickdarms und musste operiert werden. Das großflächige Hämatom, welches durch die Operation entstand, führte mich in die Praxis eines Gerinnungsspezialisten, der bei mir als Folge der ET ein erworbenes von Willebrand-Syndrom diagnostizierte. Meine Thrombozytenzahl waren stabil um 600 000. Beschwerden hatte ich so gut wie keine mehr.

Dann tauchte im Rahmen einer Routine-Darmspiegelung 6 Monate nach meiner Darmoperation ein Geschwür im unteren Teil des Dünndarms auf. Das Ergebnis der Probeentnahme ergab einen Zusammenhang mit meiner ASS-Einnahme, so dass ich im April 2015 mit der Einnahme von Clopidogrel begann, was ich bis heute einnehme und gut vertrage.

Das MPN-Register

Im Sommer 2015 habe ich mich in der MPN-Registerstudie registrieren lassen. Ich möchte dazu beitragen, dass die Forschung ein noch besseres Bild der MPN erhält. Aus diesem Grund besuche ich einmal im Jahr ein teilnehmendes Zentrum und habe so neben der Sicht meines Hämatologen auch noch eine Zweitmeinung zu meiner aktuellen gesundheitlichen Situation.

Regelmäßige Kontrollen zeigen eine Veränderung

Alle 3 Monate ließ ich beim Hämatologen Blut abnehmen. Im Laufe der Monate und Jahre wurde deutlicher, dass im Blutbild alle Zellen in ihrer Zahl anstiegen, die Leukozytenzahlen immer an der oberen Grenze oder leicht darüber waren, Hb und Hämatokrit lagen deutlich über den Grenzwerten.

Kopfschmerzen plagten mich, ich spürte nun oft Schmerzen in den Zehen und hatte Phasen, in denen meine Haut nach Wasserkontakt juckte, wobei der Begriff Jucken das Dilemma nicht richtig beschrieb, es war eher ein unangenehmes Brennen, Stechen und Pieksen.

Mein Hämatologe schlug im Frühjahr 2020 einen ersten Aderlass vor. Der Hämatokrit war bei 47,5. Danach fühlte ich mich besser. Insgesamt bekam ich über das Jahr verteilt 4 Aderlässe. Damit blieb mein Hämatokrit stabil.

Meine ET erhält einen neuen Namen: PV

In den Jahren danach zeigte sich immer mehr, dass meine ET vermutlich von Beginn an eine maskierte PV gewesen war. 2022 benannte mein Hämatologe die ET in eine PV um. Meine Aderlassfrequenz liegt seither bei etwa 2 pro Jahr. Eine zytoreduktive Therapie ist weiterhin nicht notwendig, solange ich die Aderlässe gut vertrage und nicht mehr als vier im Jahr gemacht werden müssen. Das sind sich meine beiden Hämatologen einig.

Meine Sicht aktuelle Situation

Als Folge der Aderlässe bin ich seit etwa 2 Jahren in einem gewollten und künstlich herbeigeführten Eisenmangel. Mein Ferritinwert ist deutlich unterhalb des Normwertes. Nach zwei beruflich erworbenen Covid-Erkrankungen leide ich auch heute noch unter den Folgen. Zunehmend habe ich allerdings das Empfinden, dass zu den Beschwerden von Post-Covid nun auch Beschwerden durch den künstlichen Eisenmangel hinzukommen. Das wird ein Thema meines nächsten Besuchs bei meinem Hämatologen sein.

Stand: Oktober 2023