Transplantation

Elsa, *1963, PMF seit 2011, SZT 2017

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Nachdem ich 2011 durch Zufall die Diagnose Primäre Myelofibrose erhalten hatte, wurde ich gut sechs Jahre später allogen stammzelltransplantiert. Der Eingriff (SZT) im Juli 2017 war erfolgreich, und bis heute lassen sich keine kranken Zellen mehr in meinem Blut nachweisen. Darüber bin ich nicht nur unendlich froh, sondern auch sehr dankbar, dass ich dank der Transplantation noch lebe. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die vergangenen sechs Jahre ein einziges Auf und Ab waren – körperlich, medizinisch, psychisch. Das liegt an den äußerst wehrhaften Stammzellen (bzw. den sich aus ihnen bildenden Abwehrzellen) meiner Spenderin, die meinen Körper bis heute nicht als ihr neues Zuhause akzeptieren. Getreu dem Motto: „Huch, hier ist ja alles fremd, das muss weg!“ feuern sie permanent aus allen Rohren und greifen meinen Körper an. Dies hat zu schweren chronischen Abstoßungsreaktionen vor allem an Muskeln und Gelenken geführt, aber auch an den Augen, der Leber sowie an der Haut sowie den Schleimhäuten im Mund und im Genitalbereich. Behandelt wird diese sogenannte GvHD (Graft-versus-host-disease oder Transplantat-gegen-Wirt-Erkrankung) mit immunsupprimierenden Medikamenten, die die Aktivität des Spender-Immunsystems herunterregeln, damit es mich nicht umbringt. Kaum beeinflussbar indes sind die chronische Erschöpfung (Fatigue), unter der ich leide, und die chronischen Schmerzen im Körper.

Kampf gegen GvHD: Verunglückte Studienteilnahme

Da meine GvHD trotz immunsupprimierender Therapie einfach nicht besser werden wollte, überwies mich mein betreuender Arzt in der KMT-Ambulanz im Frühjahr 2019 an das GvHD-Kompetenzzentrum nach Regensburg. Ziel war es, die Schmerzen der Muskeln und Sehnen in den Griff zu bekommen und gleichzeitig eine Alternative zum Kortison zu finden, dessen Dosis zu diesem Zeitpunkt immer noch 30 Milligramm betrug. Es schien, als hätte der Zeitpunkt nicht besser gewählt sein können, denn just zu diesem Zeitpunkt rekrutierte das Zentrum noch Patienten für eine neuartige Studie. Diese sah vor, den Probanden einmalig sogenannte regulatorische T-Zellen (Tregs) ihres jeweiligen Spenders zu verabreichen in der Hoffnung, die Abstoßungsreaktionen auf diese Weise deutlich zu reduzieren. Voller Hoffnung nahm ich teil und bedaure dies im Rückblick zutiefst. Denn als ich nur wenige Stunden nach der Infusion im Zug nach Hause saß, bekam ich plötzlich heftige Schmerzen in den Augen. Die nächsten zwei Monate waren die Hölle, denn die Tregs hatten eine heftige GvHD an den Augen ausgelöst. Diese brannten unfassbar heftig, tränten ununterbrochen und waren absolut lichtempfindlich geworden – und das mitten im Sommer, ein Alptraum! Ich brauchte täglich Schmerzmittel, um die Augen auch nur öffnen zu können und verbrachte fortan den Großteil der Tage verdunkelt zuhause, teilweise mit Sonnenbrille, so schlimm waren die Beschwerden. Raus ging ich nur noch, wenn es sich absolut nicht vermeiden ließ, natürlich mit Sonnenbrille, die allerdings kaum half.

Nach Abwägung aller Optionen, wie man das akute Geschehen schnellstmöglich zum Stillstand bringen könnte, entschied sich Regensburg für die Gabe eines klassischen Chemotherapeutikums. Nicht nur, dass darunter die Augen nicht besser wurden, ich handelte mir dadurch auch eine fulminante Herpes-simplex-Infektion im Analbereich ein, die wegen unfähiger Reha-Ärzte drei Wochen lang nicht erkannt worden war. Nachdem ich mich nach Reha-Ende mit letzter Kraft nach Hause geschleppt hatte, landete ich gleich am nächsten Tag notfallmäßig auf der KMT-Station und wurde endlich adäquat behandelt. Über die wiederholt fehlgeschlagene GvHD-Therapie hätte ich noch hinwegschauen können, hätte diese Herpes-Episode nicht eine neuerliche Fatigue ausgelöst, die nach der Transplantation eigentlich verschwunden war, und die mich noch immer quält. Am Ende konnte die Augen-GvHD doch noch erfolgreich behandelt werden, sodass die akuten Symptome verschwanden. Das GvHD-Zentrum trägt keine Schuld, schließlich war insbesondere die Augen-GvHD, die die Tregs ausgelöst hatten, nicht vorherzusehen. Im Gegenteil: Ich war die einzige (!) Probandin, die so heftig auf die Zellspende reagiert hatte, alle anderen hatten entweder eine gute oder keine Wirkung. Ich hatte einfach Pech, auch mit Blick auf die unfähigen Reha-Ärzte, ohne die es niemals so schlimm gekommen wäre.

Rücken-Operation wegen Osteoporose

Der zweite größere Rückschlag betrifft die Knochen. Denn nicht nur die Transplantation als solche, sondern auch das Kortison, das ich jahrelang als Immunsuppressivum eingenommen habe, haben bei mir zu einer schweren Osteoporose geführt: Infolge des Knochenschwunds sind im Laufe der Zeit mehrere Wirbelkörper gebrochen bzw. deren Deckplatten eingebrochen, sodass ich mich im Winter 2020 einer großen Rücken-OP unterziehen musste. Fünf Wirbel wurden seinerzeit miteinander verplattet und verschraubt. Danach hat es Monate gedauert, bis ich mich wieder einigermaßen bewegen konnte. Die Schmerzen in der Lendenwirbelsäule, die ich auch vorher schon hatte, sind seither eher schlimmer geworden. Mittlerweile sind weitere Deckplatten eingebrochen, aber zum Glück nicht behandlungsbedürftig, da sie zu den verplatteten Wirbeln zählen. Positiv ist, dass ich das Kortison im vorigen Sommer absetzen konnte und daher jetzt hoffe, dass die Osteoporose nicht weiter voranschreitet.

Mir war es nach der Transplantation wichtig, möglichst bald wieder in meinen Beruf zurückzukehren. Ich bin Freiberuflerin und arbeite gerne. Ein Jahr nach der SZT habe ich meine Tätigkeit wieder aufgenommen und arbeite seither maximal vier Stunden pro Tag. Zu einem größeren Engagement bin ich körperlich nicht mehr in der Lage, komme aber zum Glück finanziell gut über die Runden. Andererseits genieße ich es sehr, mehr Zeit für mich zu haben, auch wenn ich wegen meiner reduzierten Kräfte viel Zeit zuhause verbringe, um mich auszuruhen und von meinen wenigen Aktivitäten zu erholen. Müsste ich Bilanz ziehen, so geht es mir nach der SZT körperlich schlechter als noch zu Zeiten der Myelofibrose. Dafür lebe ich noch und erfreue mich meines Lebens – auch wenn es jetzt ein anderes Leben ist als früher und sich die Hoffnungen auf ein „gesundes“ zweites Leben nicht erfüllt haben. Und ganz gleich, was das Schicksal mir im Laufe der vergangenen Jahre auch abverlangt hat und in Zukunft womöglich noch abverlangen wird: Ich habe es nie bereut, zu kämpfen, ganz gleich, wie schwer es mitunter war und immer noch ist.  

Stand: Januar 2024